Dieser Artikel gibt Ihnen Einblick über vermeidbare Fehler bei Anträgen auf Verlängerungen im Bezug der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Lesen Sie hier mehr.
Mit einem insoweit vermeidbaren rechtlichen “Stolperstein” bei der von dem Personaldienstleister beantragten Verlängerung der befristet erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis musste sich das LSG Sachsen im Rahmen eines im einstweiligen Rechtsschutz geführten Verfahrens befassen (Beschl. v. 19.04.2021 – L 3 AL 26/20 B ER) – nämlich mit der Einhaltung der Frist nach § 2 Abs. 4 S. 2 AÜG. Danach ist der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis spätestens drei Monate vor Ablauf der Jahresfrist (hier: das konkrete Datum, das den Ablauf der Erlaubnis markiert) zu stellen. Dabei handelt es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt. Wird diese Frist nicht eingehalten, erlischt die alte Erlaubnis unwiderruflich durch schlichten Zeitablauf. Geht ein Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis verspätet ein, wird dieser von der BA als Neuantrag behandelt. In dem vorliegenden Verfahren behauptete der Personaldienstleister, dass er den Antrag vom 06.08.2019 auf Verlängerung der bis zum 11.11.2019 befristeten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis am 07.08.2019 mit dem Willen, die Frist zu wahren, zur Post aufgegeben habe. Die BA beruft sich darauf, dass dieser Antrag nicht spätestens am 11.08.2019, sondern verspätet, nämlich erst am 21.08.2019, bei der Behörde eingegangen sei.
Das LSG Sachsen prüft – insoweit korrekt und konsequent, ob die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 4 S. 3 AÜG vorliegen. Danach verlängere sich die Erlaubnis um ein weiteres Jahr, wenn die Erlaubnisbehörde die beantragte Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehne. In einem solchen Fall berechtige eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage gegen die Ablehnung der Erlaubnis den Antragsteller dazu, seine Tätigkeit fortzuführen. Eine Verlängerung der befristeten Erlaubnis trete jedoch nicht nur bei einer ausdrücklichen Entscheidung der Behörde, sondern auch bei Nichtbescheidung bis zum Auslaufen der Erlaubnis ein. Sie lasse den Inhalt der Erlaubnis unverändert und verschiebe nur den Zeitpunkt des Erlöschens. Vorliegend sei eine Entscheidung der Antragsgegnerin vor Ablauf der Gültigkeitsdauer nicht ergangen. Die Sonderregelung des § 2 Abs. 4 S. 3 AÜG habe zur Folge, dass der Antragsteller bei fristgerechter Einreichung seines Verlängerungsantrages auch nach Auslaufen der Erlaubnis aufgrund der Verlängerungsfiktion berechtigt gewesen wäre, die Arbeitnehmerüberlassung fortzuführen, ohne dass es einer weitergehenden behördlichen Entscheidung bedurft hätte.
Da vorliegend der Antragsteller von der Antragsgegnerin auf die verspätete Antragstellung und die sich hieraus ergebenden Folgen, d.h. die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung ab dem 12.11.2019, hingewiesen worden sei, bestehe für den Antragsteller ein Rechtsschutzinteresse daran, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes feststellen zu lassen, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die Verlängerungsfiktion des § 2 Abs. 4 S. 3 AÜG wirksam eingetreten sei und er damit auch für die Zeit ab dem 12.11.2019 rechtmäßig Arbeitnehmerüberlassung betreiben dürfe. Dies könne er jedoch nur durch die Feststellung der gem. § 2 Abs. 4 S. 3 AÜG eingetretenen Verlängerungswirkung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG erreichen.
Vorliegend habe der Antragsteller aber nicht glaubhaft machen können, dass der Antrag auf die Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fristgemäß, d.h. bis zum 11.08.2019, bei der BA eingegangen sei. Ausweislich der elektronisch geführten Verwaltungsakte sei dies erst am 21.08.2019 und damit verspätet erfolgt.
Bei einem Verlängerungsantrag nach § 2 Abs. 4 S. 2 AÜG handele es sich um eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die die allgemeinen Vorschriften und Grundsätze des bürgerlichen Rechts (§§ 130 ff. BGB) entsprechend Anwendung fänden. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB werde eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber in dessen Abwesenheit abzugeben sei, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugehe. Diese Regelung finde ebenfalls Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben sei (vgl. § 130 Abs. 3 BGB). Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur sei eine Willenserklärung zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sei, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit habe, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.
Nach den allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gelte der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trage, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründeten. Für den Zeitpunkt des Eingangs eines rechtlich relevanten Antrags trage der Antragsteller die objektive Beweislast. Dies bedeute, dass der Antragsteller grundsätzlich darzulegen und zu beweisen habe, dass sein Verlängerungsantrag nach § 2 Abs. 4 S. 2 AÜG rechtzeitig bei der Antragsgegnerin eingegangen sei.
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Dass der Verlängerungsantrag vor dem 12.08.2019 zugegangen sei, sei anhand der vorliegenden Unterlagen nicht zu belegen. Dies habe der Antragsteller auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Aufgabe des Verlängerungsantrags am 07.08.2019 zur Post hätten der Antragsteller und seine Mitarbeiterin zwar eidesstattlich versichert. Zudem sei eine Kopie des Postausgangsbuchs vorgelegt worden. Die Aufgabe eines gewöhnlichen Briefes zur Post begründe jedoch noch keinen Beweis für den Zugang des Schreibens beim Empfänger. Es gebe keinen Beweis des ersten Anscheins für den Zeitpunkt, in dem ein gewöhnlicher Brief nach Einlieferung bei der Post dem Empfänger zugegangen sei; diese löse zudem keine Umkehr der Beweislast aus.
Auch die Handhabung der Aktenführung der E-Akte durch die BA führe nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Dies gelte auch in Bezug auf den Briefumschlag, der nicht zur Akte genommen sei. Wie die Antragsgegnerin unter Vorlage ihrer Informationsbroschüren “E-Akte Arbeitshilfe für Poststellentätigkeiten” und “Digitalisierung des BA-Schriftgutes (DiBAS)” dargelegt habe, würden bei ihr eingehende und für die Digitalisierung vorsortierte Poststücke grundsätzlich nicht mit einem (herkömmlichen, manuellen) Eingangsstempel versehen. Eine Digitalisierung der Briefumschläge erfolge grundsätzlich nicht, sofern keine Nutzdaten angegeben seien (z.B. Postrückläufer/unzustellbare Sendungen, unterschiedliche Anschriften auf dem Schreiben und dem Briefumschlag).
Da die Beschäftigten der Antragsgegnerin, die in der Poststelle eingehenden Poststücke an den Scandienstleiter weiterleiten würden, davor ein Auftragsblatt zur Digitalisierung der Tagespost erstellen und darin die Daten des Posteingangs elektronisch erfassen und erst dann das Poststück dem Scandienstleiter für die weitere Verarbeitung übergeben würden, ersetze das bei der Paginierung der Akten auf jedem Blatt erzeugte Datum grundsätzlich den bisherigen vom Mitarbeiter händisch auf das Schriftstück aufgebrachten Posteingangsstempel. Bedenken gegen dieses Verfahren bestünden nach summarischer Prüfung nicht. Der bislang von einem Mitarbeiter der Poststelle aufgebrachte Posteingangstempel sei nicht mehr und nicht weniger beweiskräftig wie das im Rahmen der Paginierung durch den Scandienstleiter erzeugte Datum. Dieses werde nämlich auf der Grundlage des zuvor von einem Mitarbeiter der Poststelle ausgefüllten Auftragsblattes erstellt, das bei Bedarf zur Prüfung der Übereinstimmung mit der Paginierung herangezogen werden könne. In beiden Fällen werde ein Mitarbeiter der Poststelle tätig, um den Zeitpunkt des Posteinganges zu dokumentieren. Vorliegend habe die Antragsgegnerin zur Glaubhaftmachung das bei Eingang des Antrags erstellte Datenblatt eingereicht. Dieses weise als Posteingang den 21.08.2019 aus. Eine darüber hinaus bestehende Notwendigkeit, zur weitergehenden Dokumentation des Posteingangs oder in Bezug auf die Versäumung der Antragsfrist den Briefumschlag zu den Akten zu nehmen, habe nicht bestanden. Damit verbleibe es dabei, dass der Antragsteller die objektive Beweislast für den Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags trage. Allein mit der Aufgabe des Schriftstückes zur Post werde der fristgemäße Eingang nicht glaubhaft gemacht.
Quelle: “Infobrief Zeitarbeit” Mai 2021
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Autor
Dr. Alexander Bissels
CMS Hasche Sigle
Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
alexander.bissels@cms-hs.com