Selbstständig, oder nicht? Unternehmen, die mit Freelancern arbeiten, tun gut daran, Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Lässt sich nachweisen, dass die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse nicht den Status einer selbstständigen Tätigkeit erfüllen, drohen hohe Nachforderungen – und das bis zu vier Jahre rückwirkend. Wann liegt eine Scheinselbstständigkeit vor, wie erkennen Betriebe die Gefahr und welche Folgen kann Scheinselbstständigkeit für Kleinunternehmen, Freelancer und Auftraggeber haben? Antworten auf diese Fragen und weitere Tipps für Arbeitgeber finden Sie in diesem Beitrag.
Freelancer helfen bei Auftragsspitzen kurzfristig aus, liefern frische Impulse und sind flexibel einsetzbar. Auch für die Bearbeitung hoch spezialisierter Themen greifen Unternehmen gerne auf Selbstständige zurück. Die Vorteile sind zahlreich – für Auftraggeber und -nehmer. Arbeiten freie Mitarbeiter regelmäßig für einen Auftraggeber, entfallen langwierige Briefings und Einarbeitungszeiten, es herrscht oftmals bereits ein Vertrauensverhältnis – und die Gefahr der Scheinselbstständigkeit.
Diese liegt vor, wenn Selbstständige faktisch die Rolle von Angestellten einnehmen. Freelancer sind grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig – anders als angestellte Beschäftigte. Wer eine selbstständige Tätigkeit annimmt, dafür folglich keine Sozialversicherungsbeiträge abführt, der Job jedoch Kennzeichen einer abhängigen Beschäftigung aufweist, arbeitet scheinselbstständig und umgeht damit die Sozialversicherungspflicht.
Freelancer unterliegen in der Regel keiner direkten Weisungsbefugnis des Auftraggebers, die über Anweisungen für das konkrete Projekt hinausgehen. Ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, lässt sich an Indizien erkennen:
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Kein unmittelbarer Hinweis auf Scheinselbstständigkeit ist es, wenn Freelancer ausschließlich für einen Auftraggeber tätig sind. Hier kann es sich um einen sogenannten arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen im Sinne von § 2 Nr. 9 SGB VI handeln. Der Status der Selbstständigkeit wird hier nicht infrage gestellt; allerdings besteht Rentenversicherungspflicht, die vom Freiberufler selbst zu zahlen ist. Ergo schützt es nicht vor einer etwaigen Prüfung der Scheinselbstständigkeit, wenn Selbstständige für mehrere Auftraggeber tätig sind. Auch dann kann eine solche durchaus vorliegen.
Dasselbe gilt, wenn Selbstständige sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter beschäftigen. Zwar bewertet die Deutsche Rentenversicherung diese Tatsache als Hinweis darauf, dass tatsächlich eine rein selbstständige Tätigkeit vorliegt – doch als alleiniges Indiz genügt es nicht.
Häufig fällt der Verdacht der Scheinselbstständigkeit auf Kleinunternehmen, aber auch Soloselbstständige und Betriebe können betroffen sein. Besteht Annahme zu einer Scheinselbstständigkeit, sind verschiedene Institutionen zu einer Prüfung berechtigt:
Einleiten können eine solche Untersuchung auch Arbeitgeber und Auftragnehmer – Letztere lösen das mitunter nach der einseitigen und vom Freelancer unerwünschten Beendigung einer Zusammenarbeit. In der Praxis ist das selten. Häufiger äußern dritte Instanzen den Verdacht auf Scheinselbstständigkeit, zum Beispiel Krankenkassen, die im Rahmen einer Betriebsprüfung auf Unregelmäßigkeiten stoßen.
Die Feststellung der Scheinselbstständigkeit kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen:
Decken Institutionen und Behörden eine Scheinselbstständigkeit auf, kann es unangenehm werden – und teuer. So drohen beiden Parteien, Auftraggebern wie Freelancern, Lohnsteuernachzahlungen. Üblicherweise fordern die Finanzbehörden das Unternehmen zur Zahlung auf. Es ist allerdings möglich, den Arbeitnehmeranteil vom Mitarbeiter zurückzufordern. Folgen hat Scheinselbstständigkeit auch für die ausgewiesene Umsatzsteuer auf den Rechnungen des Freelancers. Der erfolgte Vorsteuerabzug gilt dann als unzulässig und ist zurückzuerstatten.
Nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge müssen für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren nachgezahlt werden. Dabei gilt der Arbeitgeber den Krankenkassen gegenüber als alleiniger Schuldner. Insbesondere dieser Posten kann sich auf eine immense Summe belaufen, die schon manchen Betrieb in die Insolvenz geführt hat. Die Crux: Unternehmen haben kaum eine Chance, den Arbeitnehmeranteil zurückzufordern. Dieser darf gemäß § 28g Sozialgesetzbuch IV nur vom laufenden Arbeitsentgelt eingezogen werden. Und das wird nach Beendigung einer Zusammenarbeit nicht mehr gezahlt.
Grundsätzlich erhalten Freiberufler nach Feststellung einer Scheinselbstständigkeit den Status eines Angestellten inklusive aller Rechten und Pflichten wie Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall. Unterstellen Behörden einen Vorsatz, kann es außerdem zu Bußgeldern kommen. Gut zu wissen: Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte im September 2019 fest, dass Scheinselbstständigkeit nur bei Vorsatz strafbar ist.
Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, liegt im Interesse aller Beteiligten. Um den Verdacht erst gar nicht aufkommen zu lassen, sollten Unternehmen, die Selbstständige beschäftigen, einige Faktoren beachten. Das gilt insbesondere bei Aufträgen für Kleinunternehmen und Soloselbstständige, die keine sozialversicherungspflichtigen Angestellten beschäftigen.
Eigene Arbeitsräume nutzen lassen: Es spricht nichts gegen eine gelegentliche Tätigkeit in den Räumen des Unternehmens. Das sollte jedoch nicht zur Regelmäßigkeit werden.
Integration in die Unternehmensorganisation vermeiden: Dazu zählt etwa, dem Freelancer keine Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen, ihn nicht in Urlaubsplanungen einzubinden und keine regelmäßigen Reportings zu fordern. Auch Weiterbildungsangebote können den Verdacht der Scheinselbstständigkeit fördern.
Arbeitszeiten selbst bestimmen lassen: Damit ist nicht gemeint, keine Deadlines und Abgabefristen zu vereinbaren. Wann Freelancer ihre Arbeit verrichten, sollte jedoch nicht das Unternehmen entscheiden. In diesem Zusammenhang sind auch Kontrollinstanzen wie Zeiterfassungssysteme zu vermeiden.
Ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, lässt sich kaum aus einem Indiz bestimmen. Vielmehr ist es das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit hinweisen. Unternehmen und Freiberufler tun gut daran, eine Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Die Konsequenzen können hart sein und aufgrund hoher Nachzahlungen bis zur Insolvenz reichen. Indem Sie vermeiden, Freiberufler allzu eng einzubinden und den Status des Selbstständigen gewährleisten, vermeiden Sie Verdachtsmomente.
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