Der Gesetzgeber hat durch die letzte AÜG-Reform mit Wirkung zum 01.04.20217 die sog. Fallschirmlösung abgeschafft. Diese konnte zur Legitimierung einer (verdeckten) Arbeitnehmerüberlassung herangezogen werden, wenn insbesondere ein Werk- oder Dienstvertrag nicht als ein solcher abgewickelt wurde. Mit der Reform wurde in diesem Zusammenhang die sog. Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht gem. § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG in das Gesetz eingefügt. Das LAG Hamburg musste sich jüngst mit einem Fall befassen, in dem es um die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung ging, die vor dem 01.04.2017 begonnen und nach diesem Tag unter Verletzung von § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG fortgesetzt worden ist (Urt. v. 15.04.2020 – 6 Sa 53/18). Im Ergebnis ging das Gericht davon aus, dass wegen dieses Verstoßes ein Arbeitsverhältnis zwischen dem de facto überlassenen Mitarbeiter und dem Einsatzunternehmen fingiert worden ist.
Das LAG Hamburg entschied, dass die Klage begründet sei, soweit der Kläger die Feststellung begehre, dass zwischen den Parteien seit dem 01.04.2017 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe. Soweit der Kläger auch für die davorliegende Zeit zwischen Mai 2011 und dem 01.04.2017 den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses geltend mache, sei seine Klage hingegen unbegründet.
Ein Arbeitsverhältnis der Parteien gelte nicht für den gesamten Zeitraum der Beschäftigung des Klägers als zustande gekommen. Die Voraussetzungen für die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 S. 1, HS. 1 AÜG a.F., die ab dem ersten Tag der Beschäftigung des Klägers hätte eingreifen können, lägen nicht vor. Doch komme dem Kläger die Neuregelung des AÜG mit Wirkung ab dem 01.04.2017 zugute: ab diesem Zeitpunkt fingiere § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1a AÜG ein Arbeitsverhältnis, wenn die Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten aus § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG nicht gewahrt seien. Diese Fiktion greife hier ein.
Ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gelte zunächst nicht wegen des Fehlens einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis als zustande gekommen. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG a.F. fingiere das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses bei Fehlen einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Nach dieser Vorschrift gelte ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Zeitarbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Zeitarbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG a.F. unwirksam sei. Nach dieser Bestimmung seien Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Zeitarbeitnehmern unwirksam, wenn der Verleiher nicht über die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis verfüge. Vorliegend sei nach dem Vorbringen der Parteien allerdings davon auszugehen, dass das Unternehmen (Z), mit dem der Kläger arbeitsvertraglich verbunden sei, im streitgegenständlichen Zeitraum über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt habe [Anm.: wird im Urteil weiter ausgeführt]. Dies hindere die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten, auch wenn davon ausgegangen werde, dass es sich bei dem Betrieb der Beklagten um einen „verdeckten Entleihbetrieb“ gehandelt habe. Im Falle der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung reiche die erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung aus, um die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG auszuschließen. Auf die Ausführungen des BAG (Urt. v. 12.06.2016 – 9 AZR 352/15) werde verwiesen.
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Mit Inkrafttreten der Neuregelung des AÜG zum 01.04.2017 gelte aber ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach § 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG als zustande gekommen. Danach seien Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Zeitarbeitnehmern unwirksam, wenn entgegen § 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Zeitarbeitnehmers nicht konkretisiert worden sei. § 1 Abs. 1 S. 5 und 6 in der seit dem 01.04.2017 geltenden Fassung laute wie folgt:
“Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Zeitarbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.”
Nach § 10 Abs. 1 S. 1, HS. 2 AÜG gelte ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und Zeitarbeitnehmer als zu dem Zeitpunkt zustande gekommen, zu dem nach § 9 AÜG die Unwirksamkeit des Vertrags zwischen dem Verleiher und dem Zeitarbeitnehmer eintrete. Hier sei der Kläger über den 31.03.2017 hinaus bei der Beklagten tätig geworden, ohne dass sein Einsatz als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet und seine Person unter Bezugnahme auf einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkretisiert worden wäre. Da sein Einsatz als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren sei, sei mit dem 01.04.2017 ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten zustande gekommen.
Bei Zugrundelegung der vom BAG entwickelten Grundsätze sei der Kläger bei der Beklagten nicht im Rahmen eines Werkvertrags, sondern im Wege der Arbeitnehmerüberlassung tätig gewesen [Anm.: wird weiter ausgeführt.].
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Autor
Dr. Alexander Bissels
CMS Hasche Sigle
Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
alexander.bissels@cms-hs.com
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