„Und was machst Du beruflich?“, so die Frage häufig schon beim ersten Kennenlernen einer neuen Person. „Personaldienstleistung“, sage ich dann. „Ach Zeitarbeit“ als Antwort, oft gefolgt von einem abschätzigen oder zumindest mitleidigen Blick. Warum das nicht sein muss, lesen Sie in folgendem Artikel.
Ich finde die Einschätzung eines großen Teiles der Bevölkerung in Deutschland sehr schade. Erstens weil Arbeitnehmerüberlassung wichtig für unsere Gesellschaft ist. Und zweitens, weil Personaldienstleistung sehr viel mehr als Zeitarbeit ist.
Arbeitnehmerüberlassung hat in anderen Ländern oft einen sehr guten Ruf und Dienstleister in dem Segment werden sogar als die attraktivsten Arbeitgeber eingeschätzt. Randstad taucht beispielsweise regelmäßig in den Niederlanden als beliebter Arbeitgeberweit oben in den Rankings auf, und Adecco wurde über Jahre bei einer europaweiten Auswertung unter die Top 5-Arbeitgeber multinational in Europa gewählt.
Im Juni 2022 registrierte das Statistische Amt der Bundesagentur für Arbeit (BA) 725.000 Zeitarbeitnehmer. Dies sind ähnlich viele wie im Vorjahresmonat und weit entfernt vom Höchststand im November 2017 von 1,08 Mio. Im Jahresdurchschnitt 2021 waren in Deutschland 816.000 Personen als Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung lag bei 2,1 Prozent. Trotz des niedrigen Anteils wird Arbeitnehmerüberlassung politisch häufig angegriffen. „Insgesamt sei die Zeitarbeit auf Vorjahresniveau und bleibe auf einem geringen, unauffälligen Niveau“. Trotz dieser neutralen Aussage des BA-Bericht zur Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich (Mai 2022) werden von der Politik immer wieder sektorale Verbote für Arbeitnehmerüberlassung diskutiert.
Rückläufig ist die Zahl der Betriebe, welche die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung haben. Von den rund 47.000 haben knapp 11.000 Betriebe den Schwerpunkt in der Arbeitnehmerüberlassung. Hinter diesen 11.000 Betrieben stehen knapp 8.000 Unternehmen. Das von der Firma Lünendonk berechnete Marktvolumen für Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland betrug 2021 rund 31 Milliarden Euro.
Arbeitnehmerüberlassung ist für viele Unternehmen wichtig, nicht nur aus Gründen der Flexibilisierung sowie Unterstützung in der Rekrutierung. Arbeitnehmerüberlassung hat auch aus makroökonomischer Sicht wichtige Funktionen. Unter anderem ist es die dauerhafte Integration von Nichtbeschäftigten in den Arbeitsmarkt: Rund 80 Prozent der Arbeitslosen, die aus Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung aufgenommen haben, sind nach zwölf Monaten sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Weiter ist Arbeitnehmerüberlassung ein Integrationsmotor: über 40 Prozent der Zeitarbeitnehmer haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Dieser Anteil ist mehr als dreimal so hoch wie bei den Beschäftigten insgesamt. Arbeitnehmerüberlassung bietet für Geflüchtete gute Einstiegsmöglichkeiten in den deutschen Arbeitsmarkt.
Unternehmer im Umfeld der Arbeitnehmerüberlassung bieten für Deutschland wichtige und wertvolle Dienstleistungen an. Arbeitnehmerüberlassung ist aber nur ein Leistungsbaustein der führenden Personaldienstleistungsunternehmen, doch dazu mehr im nächsten Abschnitt.
Anfangs sind wir auf Arbeitnehmerüberlassung eingegangen. Arbeitnehmerüberlassung hat für Deutschland wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz. Arbeitnehmerüberlassung ist aber nur ein Leistungsbaustein im Portfolio von führenden Personaldienstleistungsunternehmen.
Der Markt der Personaldienstleitung hat sich in den letzten Dekaden stark gewandelt. Internationale Trends, insbesondere aus den USA, höherer Professionalisierungsgrade auf Anbieter- und Nachfragerseite, zahlreiche gesetzliche Neuerungen, eine sich wandelnde Wertelandschaft der Generationen, atmende Organisationsformen, lebenslanges Lernen und Digitalisierung hatten und haben starken Einfluss auf den Markt und das Portfolio der Personaldienstleistungsunternehmen.
Über die letzten Jahrzehnte hat sich die Personaldienstleistung in Deutschland kontinuierlich weiterentwickelt. Die Leistungsportfolios führender Zeitarbeitsunternehmen wurden Step by Step um Themen wie Personalvermittlung, Contracting von Freelancern und Interim Managern, Managed Service Providing oder Werkverträge ergänzt. Diese Begriffe stehen nur exemplarisch für weitere Optionen wie beispielsweise Transfermaßnahmen nach § 110 SGB III, Recruitment Process Outsourcing, Nachfolgeberatung, Crowdworking, Onsite Management, Personalentwicklung oder Outplacementberatung. Allerdings bieten die Vielzahl an Betrieben in der Arbeitnehmerüberlassung nur einen oder zwei Teilbereiche der Optionen in der Personaldienstleistung an. Hier ergeben sich Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für die Dienstleister.
Beim Contracting beauftragen Kunden einen Personaldienstleister damit, Projekte oder Aufgaben durchzuführen. Die Personaldienstleister wiederum engagieren einzelne Spezialisten oder Firmen als Subunternehmer, welche mit der Durchführung beauftragt sind. Der Personaldienstleister greift zur Verrichtung der Tätigkeit also auf Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) in Form von Subunternehmern zurück. Diese Subunternehmer sind meist Freelancer. Beim Interim Management arbeiten selbstständige Interim Manager für einen definierten Zeitraum (üblicherweise 3-18 Monate) i. d.R. in unternehmerischer Verantwortung in einem Unternehmen in einer Führungsposition der ersten und zweiten Ebene. Häufig arbeiten Interim Manager wie Freelancer über Provider. Die rechtliche Basis ist die gleiche wie im „klassischen“ Contracting. Die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. spricht in Deutschland für 2022 von 12.000 Interim Managern und einem Volumen von 2,5 Mrd. Euro.
Bei der Personalvermittlung/-beratung wird ein Kandidat in Festanstellung beim Kunden vermittelt. Der Dienstleister erhält hierfür eine Provision. Der Anbietermarkt ist sehr differenziert mit Tausenden von Anbietern. Die Schätzungen über den Gesamtmarkt gehen sehr stark auseinander. Die höchste mir bekannte Zahl stammt von einer von Hays in Auftrag gegebenen Studie und wurde für 2019 mit 23,2 Mrd. Euro taxiert.
Managed Service Providing steht in diesem Zusammenhang für die Steuerung von mehreren Schnittstellen zwischen dem Kunden und Lieferanten. Der Managed Service Provider kann, abhängig von der Beauftragung, den gesamten Beschaffungsprozess von externen Ressourcen und Leistungen managen und somit die Schnittstelle zwischen Kunden und dessen Lieferanten bilden. Häufig wird die Dienstleistung Onsite bei Kunden erbracht. Ich schätze das Marktvolumen 2022 weltweit bei circa 150 Mrd. Euro, auf Deutschland entfallen circa 4 Mrd. Euro.
Nahezu unbegrenztes Potential bieten Werkverträge. Im Gegensatz zum Dienstvertrag (Fokus: „tätig werden“) im Contracting oder der Arbeitnehmerüberlassung liegt hier der Fokus auf „Erfolg“ einer vorab definierten Leistung. Eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus 2017 bezifferte den gesamten Wertschöpfungsbeitrag bei rund 730 Mrd. Euro. Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung stehen laut Studie auch überwiegend in einem komplementären Verhältnis und werden als sich ergänzende Formen des Fremdpersonaleinsatzes wahrgenommen.
Für Deutschland vermutete ich im direkten Umfeld der Personaldienstleistungen bereits heute ein Marktvolumen von deutlich über 65 Mrd. Euro mit circa 15.000 Anbieterbetrieben und über 75.000 internen Mitarbeitern. Personaldienstleistung ist vielschichtig und interessant. Und Personaldienstleistung bietet für die Mehrzahl der Anbieter noch nahezu unbegrenzte Möglichkeiten!
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Matthias Ruff ist geschäftsführender Partner der Ourlance Consulting – connecting experts und Autor des hochgelobten Werks „Ganzheitliche Personaldienstleistung“. Ruff war viele Jahre im Senior Management EMEA von Hays und als Interim Manager tätig. In seinem Vortrag betrachtet er den Markt und seine Entwicklung aus stark strategischer Perspektive.
Kontakt: mr@ourlance.de