Die Bedeutung von vorübergehend in der Zeitarbeitsrichtlinie

Mit Wirkung zum 01.04.2017 wird gesetzlich eine zwingende Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten vorgesehen (§ 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG). Bis zu diesem Zeitpunkt gilt der Grundsatz, dass die Überlassung lediglich „vorübergehend“ im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG a.F. erfolgen darf. Die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals und die Rechtsfolgen bei einem Verstoß werden daher die Rechtsprechung – insbesondere für Altfälle vor dem 01.04.2017 – weiter beschäftigen.

Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei dauerhafter Überlassung

So hat das LAG Köln jüngst in Einklang mit der Rechtssprechung des BAG bestätigt, dass auch bei einem Verstoß gegen das Gebot der vorübergehenden Überlassung kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kundenunternehmen begründet wird (Urt. v. 02.06.2016 – 2 Sa 1089/15; vgl. BAG v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13; BAG v. 03.06.2014 – 9 AZR 111/13).

Die Entscheidung ist im Ergebnis wenig überraschend, dennoch sind die Erwägungen des LAG Köln interessant. Das Gericht führt zunächst aus, dass die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses das Prinzip der Gewaltenteilung verletze. Es sei ausschließlich Aufgabe des Gesetzgebers eine Regelung zu schaffen, die die Zeitarbeitsrichtlinie umsetze. Damit ergebe sich auch keine Vorlagepflicht an den EuGH, denn weder werde die genannte Richtlinie ausgelegt, noch sei es möglich, das von dem klagenden Zeitarbeitnehmer gewünschte Ergebnis durch eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts zu erreichen. Der Gesetzgeber habe vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er bislang keinerlei Sanktionen für den Fall dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung für erforderlich halte, wenn einerseits entweder equal pay eingreife oder andererseits ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis zum Personaldienstleister bestehe und dort die Arbeitsvertragsbedingungen durch einen Tarifvertrag oder eine Bezugnahme auf einen solchen geregelt seien. Der Kläger irre sich auch, wenn er meine, dass in der Europäischen Grundrechtscharta die Gleichbehandlung von Zeitarbeitnehmern und Stammbelegschaft des Kunden geregelt sei. Art. 23 der Grundrechtscharta betreffe hinsichtlich des Arbeitsentgelts lediglich die Gleichheit von Frauen und Männern. In Fällen, in denen ausschließlich das Geschlecht das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen verschiedenen Arbeitnehmern sei, sei sicherzustellen, dass die gleiche Vergütung geleistet werde. Vorliegend bestehe ein Differenzierungsgrund bereits darin, dass der Kläger nicht bei demselben Arbeitgeber eingestellt worden sei wie die Stammarbeitnehmer des Kunden. Art. 5 Abs. 2 der Zeitarbeitsrichtlinie bestätige ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf das Arbeitsentgelt nach Anhörung der Sozialpartner die Möglichkeit vorsehen könnten, dass vom Grundsatz der gleichen Bezahlung abgewichen werden könne, wenn Zeitarbeitnehmer, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Personaldienstleister abgeschlossen hätten, auch in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt würden. Die Richtlinie verlange nur, dass Zeitarbeit, die als wichtiges Arbeitsmarktinstrument angesehen werde, dann zu den gleichen Bedingungen wie im Kundenbetrieb geleistet werden müsse, wenn sie mit Wegfall des Einsatzbedarfs ohne Kündigungsschutz ende. Bestehe demgegenüber ein unbefristetes und damit nach deutschem Recht dem KSchG in aller Regel unterfallendes Arbeitsverhältnis zum Zeitarbeitsunternehmen mit der Folge, dass während Zeiten, in denen kein Einsatz möglich sei, gleichwohl ein Vergütungsanspruch bestehen bleibe, sei eine abweichende Vergütung von der des Kundenbetriebs nach Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich möglich. Dieser sei damit gerade nicht zu entnehmen, dass für den Fall einer dauerhaften Beschäftigung eines Zeitarbeitnehmers im Einsatzbetrieb konkrete Rechtsfolgen vorgesehen seien. Weder sei die Vergütung des Einsatzbetriebs geschuldet noch komme ein Arbeitsverhältnis mit diesem zu Stande.

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Zudem möge sich der Kläger die Diskussion zur Reform des AÜG anschauen. Auch hier sei erneut vorgesehen, dass dann, wenn Tarifvertragsparteien die Arbeitsbedingungen von Zeitarbeitnehmern regelten, die Dauer der Überlassung uneingeschränkt ausgedehnt werden könne. Dies zeige, dass die Entscheidung des BAG, der Gesetzgeber habe keine Sanktionen regeln wollen, richtig sei und die Schaffung solcher Sanktionen durch Richterrecht contra legem wäre. Der Gesetzgeber sehe offensichtlich die Chancen der Zeitarbeit für den Arbeitsmarkt als so bedeutsam und wichtig an, dass er erneut wesentliche Regelungen zur Dauer der Überlassung den Tarifvertragsparteien überlassen habe und nicht selber eingreifen wolle. Dann könne dies auch der Richter nicht.

Dauer der „vorübergehenden“ Überlassung

Das Hess. LAG hat sich mit der Dauer einer vorübergehenden Überlassung nach § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG befassen müssen (Urt. v. 02.06.2016 – 5 TaBV 200/15).

Das Gericht vertritt dabei die Ansicht, dass der Wortlaut der Vorschrift personenbezogen ausgelegt werden könne, nach dem der einzelne Zeitarbeitnehmer nur zeitlich begrenzt überlassen werden dürfe. Würde allerdings nur auf die Befristung des Einsatzes des Zeitarbeitnehmers abgestellt, wäre der aufeinanderfolgende Einsatz verschiedener Mitarbeiter zur Bewältigung eines Dauerbedarfs möglich. Dies sei mit dem Zweck der Regelung allerdings nicht in Einklang zu bringen und führe zu einem arbeitsplatzbezogenen Verständnis der Norm (in diesem Sinne: LAG Schleswig-Holstein v. 06.07.2016 – 3 TaBV 9/16).

 

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Der Gesetzgeber wolle mit dem Missbrauchsverhinderungsgesetz und mit der Einführung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG Unionsrecht „vollständig 1:1“ umsetzen; aus diesem Grund sei das Merkmal „vorübergehend“ nach dem Sinn und Zweck der Zeitarbeitsrichtlinie zu bestimmen. Der Richtliniengeber habe in Erwägungsgrund 8 auf die Förderung der Flexibilität und in Erwägungsgrund 11 auf den Ausgleich zwischen Flexibilitätsbedarf der Unternehmer und dem Arbeitnehmerschutz verwiesen. Dieser Zweck könne bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Zeitarbeitnehmern nicht erreicht werden, da es aufgrund des ständigen Beschäftigungsbedarfs einer Flexibilisierung nicht bedürfe. Gestützt würde diese aus dem Gesetzeszweck abgeleitete Argumentation durch den Wortlaut der Norm, da die Grenzen des Wortsinns durch die Auslegung, dass der Arbeitsplatz nicht auf Dauer mit Zeitarbeitnehmern besetzt werden solle, nicht überschritten werde.

Maßgeblich für die Annahme eines Dauerarbeitsplatzes sei, ob objektiv eine Daueraufgabe vorliege. Denn in Anlehnung an das Befristungsrecht (§ 14 Abs. 1 S. Nr. 1 TzBfG) sei von einem nur zeitweiligen Bedarf zum einen auszugehen, wenn im Betrieb zusätzliche Arbeiten anfielen, die mit dem Stammpersonal allein nicht erledigt werden könnten oder im Bereich der Daueraufgaben die Arbeitsmenge vorübergehend ansteige (sog. Auftragsspitzen). Zum anderen liege ein Dauerarbeitsplatz dann nicht vor, wenn sich der Arbeitskräftebedarf im Rahmen von Daueraufgaben künftig verringere. Im Interesse der vom Gesetzgeber verfolgten Stärkung der Arbeitnehmerüberlassung als flexibles arbeitsmarktpolitisches Instrument und des Erhalts der positiven Beschäftigungseffekte sei allerdings eine den Anforderungen des Befristungsrechts genügende Prognoseentscheidung des Arbeitgebers für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs nicht zu fordern. Vielmehr sei die Unsicherheit über den Beschäftigungsbedarf bereits ausreichend. Es genüge, wenn sich abzeichne, aufgrund welcher Abläufe die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer zukünftig entbehrlich sei.

 

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Autor

Dr. A. Bissels HP

Dr. Alexander Bissels
Fachanwalt für Arbeitsrecht
alexander.bissels@cms-hs.com