Sog. Arbeitsschutzkontrollgesetz: Wir haben schon zu dem Gesetzesvorhaben berichtet, durch das Werkverträge und die Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie verboten werden sollen (sog. Sektoralverbot). Inzwischen hat dazu am 05.10.2020 vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages die Anhörung der Sachverständigen stattgefunden. Deren Stellungnahmen fielen – wie nicht anders zu erwarten war – ambivalent aus. Juristische Zweifel gab es am Begriff des „inhabergeführten“ Betriebes. Mehrere Sachverständige, darunter Herr Prof. Stefan Greiner, verwiesen darauf, dass das BVerfG den Begriff gar nicht kenne. Roland Wolf (BDA) kritisierte das Verbot von Zeitarbeit und Werkverträgen als „höchst problematisch“. Der DGB betonte, das Agieren der Fleischbranche lasse keine anderen Konsequenzen zu. Nachbesserungen seien jedoch bei der Arbeitszeiterfassung nötig.
Nunmehr steht die zweite und dritte Lesung im Bundestag an. Es bleibt abzuwarten, ob insbesondere das Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie – auch aufgrund der zu Recht in der Sache geäußerten sachlich-fundierten Kritik, insbesondere mit Blick auf die Verfassungskonformität der Regelung – noch aus dem Gesetzesentwurf entfernt wird. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke musste sich die Bundesregierung schon erklären, ob und inwieweit Lobbyisten und sonstige Interessenvertreter auf den Gesetzesentwurf Einfluss genommen haben.
„Der Bundestag diskutiert aktuell über das Arbeitsschutzkontrollgesetz. Der Gesetzentwurf enthält u.a. ein Sektoralverbot für die Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie ab April 2021.
Wir Personaldienstleister fühlen uns von der Politik zu Unrecht in Misskredit gebracht und bestraft. Sie macht es sich mit dem Gesetzentwurf zu leicht: Die gesamte Branche mit ihren mehr als 800.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kommt in Verruf, das Verbot öffnet die Tür für weitere sektorale Branchenverbote. Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung sind völlig getrennte Beschäftigungsformen, die hier zu Unrecht miteinander vermischt werden. Denn die Arbeitsplätze in der Arbeitnehmerüberlassung gehören zu den am strengsten kontrollierten in Deutschland.
Als Unternehmer in der Personaldienstleistung stehen wir für gute Arbeitsbedingungen. Wir befürworten ausdrücklich Verbesserungen in der Fleischindustrie. Die Vorkommnisse der letzten Wochen in den großen Schlachtbetrieben dürfen sich nicht wiederholen.
Ein Verbot von Zeitarbeit in der gesamten Fleischindustrie ist jedoch nicht der richtige Lösungsweg. Wie will die Fleischindustrie künftig saisonale Spitzen, wie sie für die Grill- und Weihnachtssaison typisch sind, abfangen? Gerade mittelständische Unternehmen, die für den Einzelhandel in der Fleischveredelung arbeiten, würden in ihrer Existenz gefährdet. Seriöse Zeitarbeit könnte Teil der Lösung sein. Sie ist auf jeden Fall nicht das Problem, das es beim Schlachten und Zerlegen zu lösen gilt. Es ist schon jetzt zu erkennen, dass Teile der Produktion ins Ausland verlagert werden. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz würde Arbeitsplätze kosten. Das ist bitter, besonders in strukturschwachen Regionen.
Um den flexiblen Arbeitsmarkt zu schützen, hat das Unternehmerbündnis Zeitarbeit eine Aufklärungskampagne gestartet. Zu der 2019 gegründeten Initiative gehören u.a. Argo Group, Franz & Wach, Headway, Meteor Personaldienste, Synergie, Timepartner, Trenkwalder, USG People, Zaquensis.
Im Rahmen der Kampagne wurden die wichtigen Argumente, Bedenken und Forderungen an alle Abgeordnete des Deutschen Bundestags übermittelt, Webinare gehalten, Interviews gegeben und eine große Zahl persönlicher Gespräche mit Abgeordneten aus den Wahlkreisen geführt. Zudem haben die Mitgliedsunternehmen viele Personaldienstleister zu eigenen Gesprächen mit Politikern vor Ort motiviert.
Unsere Sorge ist groß, dass die Fleischindustrie nur der Anfang weiterer sektoraler Verbote für die Zeitarbeit sein könnte. Dies würde die Geschäftsgrundlage vieler Unternehmen gefährden.
Namhafte Rechtsexperten sind davon überzeugt, dass ein Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie sowohl verfassungs- als auch europarechtlich bedenklich sei. Sollte die Bundesregierung das Gesetz verabschieden, dann behalten wir uns rechtliche Schritte vor. Das sektorale Verbot in der Bauindustrie, verhängt in den 80er-Jahren, wurde beispielsweise nie wieder zurück genommen.
Dass es soweit kommt, wollen wir vom Unternehmerbündnis Zeitarbeit unbedingt verhindern, es muss andere Lösungen geben! Unterstützen Sie uns dabei.“
Inzwischen ist die Debatte und Abstimmung über das Arbeitsschutzkontrollgesetz im Bundestag, die in der KW 44 angestanden hätte, wieder von der Tagesordnung genommen worden. Laut Medienberichten gibt es noch „Besprechungsbedarf“ seitens der Unionsfraktion. Dieser mag sich insbesondere auf das geplante Sektoralverbot für die Zeitarbeit beziehen. Es besteht vor dem Hintergrund der anhaltenden politischen Diskussionen Hoffnung, dass diese verfassungs- und europarechtswidrige Bestimmung keine Gesetzeskraft erlangen wird. Insoweit bleibt jedoch der weitere Verlauf der Beratungen abzuwarten. Fest steht aber, dass es aufgrund der Verzögerungen fraglich ist, ob das Gesetzesvorhaben (wie auch immer dieses am Ende ausgestaltet sein wird) tatsächlich – wie geplant – am 01.01.2021 in Kraft treten kann bzw. wird
Entwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit: Auch bzw. insbesondere aufgrund der überwiegend positiven Erkenntnisse, die im Rahmen des coronabedingten Lock Down der deutschen Wirtschaft durch die in einigen Branchen – mehr oder weniger – flächendeckend gelebte mobile Tätigkeit bzw. der Arbeit aus dem Home-Office gewonnen werden konnten, sah sich das BMAS veranlasst, einen Gesetzesentwurf dazu vorzulegen. In diesem ist u.a. geregelt, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer über dessen Wunsch nach mobiler Arbeit in einen Dialog treten soll. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, soll nach dem Gesetzesvorhaben einen Anspruch auf mobile Arbeit an bis zu 24 Tagen im Jahr haben, ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche, soweit sich die Art der Tätigkeit grundsätzlich für mobile Arbeit eignet und dieser nicht betriebliche Gründe entgegenstehen.
Einigen sich die Arbeitsvertragsparteien nicht über die von dem Arbeitnehmer gewünschte mobile Arbeit, muss der Arbeitgeber seine ablehnende Entscheidung form- und fristgerecht begründen. Versäumt der Arbeitgeber dies, tritt eine gesetzliche Fiktion ein und die mobile Arbeit gilt entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers für die Dauer von maximal sechs Monaten als festgelegt. Die gesetzliche Fiktion greift auch, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer den Wunsch, mobil zu arbeiten, nicht erörtert. Dessen ungeachtet kann der Arbeitnehmer den gesetzlichen Anspruch auf mobile Arbeit gerichtlich durchsetzen. Die Regelungen des Arbeitsschutzes sollen unberührt bleiben. Danach hat der Arbeitgeber insbesondere die bei einer mobilen Arbeit auftretenden Gefährdungen zu beurteilen, Schutzmaßnahmen festzulegen und die Arbeitnehmer im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu unterweisen. Es wird durch den Gesetzesentwurf sichergestellt, dass die Tarifvertrags- und Betriebsparteien weiterhin eigene Regelungen zu mobiler Arbeit treffen können. Die Sozialpartner kennen die Arbeitsstrukturen in den Unternehmen und in der jeweiligen Branche und Region. Sie können daher passgenaue und ausgewogene Lösungen unter Berücksichtigung der Belange aller Beteiligten finden. Für Arbeitnehmer, die regelmäßig mobil arbeiten, ist künftig die gesamte Arbeitszeit täglich vollständig zu erfassen. Die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit dient dazu, die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und der wöchentlichen Mindestruhezeiten sicherzustellen. Der Betriebsrat ist durch ein ergänzendes Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit einzubeziehen; dazu soll der Katalog der sozialen Mitbestimmung in § 87 Abs. 1 BetrVG um eine neue Nr. 14 ergänzt werden („Einführung und Ausgestaltung von mobiler Arbeit“). Versicherungslücken beim Unfallversicherungsschutz sollen geschlossen werden. Künftig genießen Arbeitnehmer, soweit sie von zu Hause aus oder an einem anderen Ort außerhalb der Unternehmensstätte arbeiten, im gleichen Umfang Versicherungsschutz wie bei einer Tätigkeit in der Unternehmensstätte. Darüber hinaus wird das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von Kinderbetreuungseinrichtungen erfasst, wenn die Tätigkeit in dem gemeinsamen Haushalt ausgeübt wird.
Dieses Gesetzesvorhaben stößt jedoch – vollkommen zu Recht – auf Widerstand. Es weist bereits erhebliche handwerkliche Unzulänglichkeiten auf und belastet Unternehmen und Arbeitgeber in durch die Coronapandemie schon schwierigen Zeiten mit weiterer Bürokratie. Der Entwurf wurde vor diesem Hintergrund bereits im Kanzleramt gestoppt – „nicht geeignet für die weitere Abstimmung zwischen den Bundesministerien“, hieß es. Ohne eine solche wäre die Gesetzesinitiative gescheitert. Zur Begründung führt das Kanzleramt an, im Koalitionsvertrag stehe explizit ein Auskunftsrecht, jedoch kein Rechtsanspruch auf eine mobile Tätigkeit oder für eine Arbeit aus dem Home-Office. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 (S. 41): „Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen. Zu diesem gehört auch ein Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung sowie Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik. Auch die Tarifpartner sollen Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen.“ Ob das Gesetzesvorhaben damit endgültig vom Tisch ist, bleibt abzuwarten. Die SPD-Fraktion und Minister Heil scheinen den Kampf für das Gesetz noch nicht aufgegeben zu haben.
Dieses gilt – sollte es denn noch kommen – natürlich auch für Personaldienstleister und die von diesen beschäftigten Zeitarbeitnehmer. Ist der Gesetzesentwurf schon für „herkömmliche“ Unternehmen aus rechtlicher Sicht sperrig, wird die Anwendung für den Personaldienstleister noch schwieriger und die damit verbundenen Fragen noch komplexer, allein wenn es darum geht, zu entscheiden, ob sich die Art der Tätigkeit grundsätzlich für mobile Arbeit eignet und ob dieser nicht betriebliche Gründe entgegenstehen. Gerade bei einer Einsatzwechseltätigkeit wirft die Beantwortung dieser Fragen durchaus gewisse Schwierigkeiten auf; zudem stellen sich praktische Probleme bei der Personaldisposition.
Ggf. ist der Gesetzesentwurf jedoch auch nur als „Schaulaufen“ für den anstehenden Bundestagswahlkampf im Jahr 2021 anzusehen. Das Thema „mobile Arbeit“ bzw. „Home-Office“ ist gegenwärtig populär wie nie und interessiert einen durchaus großes Wählerpotential. Es war zu erwarten, dass insbesondere die Union einem Gesetzesentwurf, der auch noch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf mobile Arbeit begründet, eher skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Daher wäre es wenig überraschend, wenn sich die SPD dieses Projekt – sollte es in dieser Legislaturperiode (insoweit wenig überraschend) scheitern – im kommenden Bundestagswahlkampf auf die Fahnen schreiben würde und mit dem Zeigefinger auf die insoweit zaudernde bzw. ablehnende Union verweisen würde. Befeuert werden dürfte die Diskussion über einen Anspruch auf mobile Tätigkeit oder Arbeit aus dem Home-Office auch vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige bis zum 02.08.2022. Mit dieser sollen Mindestvorschriften festgelegt werden, um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz dadurch zu erreichen, dass Arbeitnehmern, die Eltern oder pflegende Angehörige sind, die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben erleichtert wird. Hierzu legt diese Richtlinie individuelle Rechte fest, und zwar in Bezug auf Folgendes: Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige sowie flexible Arbeitsregelungen für Arbeitnehmer, die Eltern oder pflegende Angehörige sind. Zu den genannten flexiblen Arbeitsregelungen zählt die Richtlinie auch die „Nutzung von Telearbeit“. Ob durch den im Koalitionsvertrag von 2018 vorgesehenen Auskunftsanspruch die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt werden würde, kann dabei zumindest in Abrede gestellt werden, so dass sich dieses Thema auch wegen der Notwendigkeit der Umsetzung der o.g. europarechtlichen Bestimmungen in das nationale Recht nicht von selbst erledigen wird.
Kurzarbeitergeld: Die erleichterten Möglichkeiten, Kurzarbeitergeld zu erhalten, dürfte mitursächlich dafür sein, dass sich die Coronapandemie – zumindest bislang – nicht (wie befürchtet) dergestalt auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt hat, dass die Zahlen der arbeitslos gemeldeten Personen exorbitant gestiegen sind. Vor diesem Hintergrund hat das Bundeskabinett inzwischen den Entwurf eines Gesetzes zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssicherungsgesetz), den Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung und den Entwurf einer Zweiten Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld beschlossen.
Inhaltlich umfasst das Maßnahmenpaket Folgendes:
Das Beschäftigungssicherungsgesetz wird nun im parlamentarischen Verfahren behandelt und steht für den 28.10.2020 auf der Tagesordnung des Bundestages. Es soll gemeinsam mit den beiden Verordnungen am 01.01.2021 in Kraft treten. Dabei ist davon auszugehen, dass die Vorschläge der Bundesregierung 1:1 oder zumindest ohne erhebliche inhaltliche Änderungen umgesetzt werden dürften.
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Autor:
Dr. Alexander Bissels, CMS Köln, alexander.bissels@cms-hs.com
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