Deutschland leidet unter einem Mangel qualifizierter Fachkräfte, glaubt man der medialen Aufbereitung. Die Wahrheit ist, zahlreiche Branchen kämpfen gegen gravierende Engpässe. Aktuell stehen Unternehmen im Gesundheitsbereich sowie in der Pflege besonders unter Druck, das richtige Personal für offene Positionen zu gewinnen. Wie die Prognosen aussehen, welche Ursachen der Fachkräftemangel in der Pflege und anderen Berufsgruppen hat und warum bestimmte Maßnahmen für langfristige Lösungen wichtig sind, lesen Sie jetzt.
Ein Fachkräftemangel in Berufen liegt vor, sobald die Nachfrage gewisser fachlich ausgebildeter Arbeitskräfte weitgehend ungedeckt bleibt, und zwar für einen längeren Zeitraum und regional unabhängig. Ein konstanter Fachkräftemangel in Deutschland kann sich langfristig auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken und zwingt Unternehmen dazu, durch flexible Arbeitsverhältnisse auf vereinzelte Engpässe zu reagieren. Um als Fachkraft zu gelten, muss man in Deutschland entweder eine zweijährige Berufsausbildung oder ein anerkanntes Studium erfolgreich absolviert haben.
Die Bundesagentur für Arbeit definiert einen Fachkräftemangel in den Berufsgruppen, sobald die durchschnittliche Vakanzzeit um mindestens 40 Prozent über allen Berufsvakanzzeiten liegt. Ein weiteres Kriterium: Sind weniger als 300 gemeldete Arbeitssuchende pro 100 Stellen im BA-Bestand, spricht die Bundesagentur für Arbeit ebenso von einem Fachkräftemangel in Deutschland. Gleiches gilt bei der Überschreitung der durchschnittlichen Vakanzzeit von zumindest 10 Tagen gegenüber dem Referenzzeitraum des vorigen Jahres. Diese Einschätzung betrifft alle Bundesländer.
Die Frage, ob der Fachkräftemangel eine Lüge ist, hängt stark von der betreffenden Branche ab. Unternehmen sollten sich auf die neue Realität am Arbeitsmarkt frühzeitig einstellen und akzeptieren, ihre Personalpolitik neu zu ordnen. Auf der Makroebene gibt es bereits beachtliches Datenmaterial, dass unmissverständlich auf Veränderungen hinweist. So steigert sich die Zahl offener Stellen bei gleichzeitig zunehmenden Besetzungszeiten. Eine Verschärfung des Wettbewerbs ist hier klar zu erkennen. Die Faktenlagen reicht aus, um zu bestätigen, dass es in bestimmten Berufsfeldern zu Engpässen kommt. Ein regional übergreifender Fachkräftemangel in allen Berufen ist noch nicht evaluierbar. Diese Verknappung wird sich allerdings in den nächsten Jahren ausweiten und auf immer mehr Branchen übergreifen. In den Fokus gerät vor allem die demografische Entwicklung, denn mit den Babyboomern der 50er- und 60er-Jahre steht eine geburtenstarke Generation vor der Rente. Nachfolgende Jahrgänge waren mit weitaus weniger Kindern gesegnet. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, dass Deutschland eine jährliche Zuwanderung von 260.000 Menschen braucht, um das Arbeitskräfteangebot stabil zu halten.
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Besonders ausgeprägt ist der Fachkräftemangel in den Berufen der Pflege, im Handwerk, in medizinischen Bereichen, in technischen Sparten und in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik-, Ingenieur-, Naturwissenschaften und Technik). Das IW (Institut für Wirtschaft) errechnete im Jahr 2021 eine Personallücke von rund 290.000 Fachkräften. Besonders betroffen sind hier die Berufssparten der Metallverarbeitung sowie die Maschinen- und Fahrzeugtechnik. Über Zuwanderung lässt sich zwar der radikale Einbruch in den nächsten Jahren abfedern, doch das Problem selbst nicht lösen. Um dem Fachkräftemangel mit Lösungen zu begegnen, ist zu beachten, dass es zu einer Verschiebung von beruflich qualifizierten und akademischen Beschäftigten kommt. Daher braucht der Fachkräftemangel Maßnahmen, die langfristig zu einer stabilen Reform oder Veränderung der Marktsituation führen und auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Fachkräftegruppen Rücksicht nehmen.
Als Hauptursache für den Fachkräftemangel der Berufe gilt ein demografischer Wandel. Bereits im Jahr 2030 reduziert sich der erwerbsfähige Bevölkerungsanteil in Deutschland auf 45,9 Millionen. Je weniger Menschen geboren werden, desto geringer ist die Anzahl der begehrten Fachkräfte. Ausgesprochen dramatisch entwickelt sich die Situation bei der Überalterung für die Branchen von Gesundheit und Pflege.
Studierte und gut ausgebildete Arbeitnehmer können sich ihre Jobs selbst aussuchen. Sie sind in der Regel nicht dazu gezwungen, das erstbeste Stellenangebot zu akzeptieren, sondern selektieren neben dem Gehaltsfaktor, stark nach Benefits und Work-Life-Balance. Globalisierende Konzerne haben bei Stellenausschreibungen häufig die besseren Chancen, qualifizierten Fachkräften den Gang ins Ausland zu erleichtern. Spezielle Pakete mit Sonderzahlungen für Umzug, Wohnung und Sprachkurse zählen oft zum Bonusangebot.
In vielen Berufszweigen ist es bildungspolitisch erwünscht, jungen Menschen die Absolvierung eines Studiums zu ermöglichen. Nach Abschluss gehen sie nicht in Jobs oder Berufssparten, die einen Aus- und Fortbildungsabschluss fordern. Viele Ausbildungsberufe mit dualen Ausbildungsplätzen haben aktuell ein Attraktivitätsproblem, besonders in der Pflege und im Handwerk.
Viele Wirtschaftszweige stehen den Technologieschüben relativ unvorbereitet gegenüber, was den Fachkräftemangel in Deutschland zusätzlich verschärft. Entstehen neue Berufsbilder, ist hoch spezialisiertes Fachwissen eine Voraussetzung.
Das Hauptargument von Skeptikern betrifft eine gewisse Untätigkeit der Unternehmen. Aus der Perspektive der generellen Beschäftigungsquote rückt die Ressource Mensch wieder in den Fokus des Interesses. Denn nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist ohne Fachkräfte nicht möglich. Tatsächlich zeigen sich Unternehmen beim Ringen um neue Kundenkreise enorm kreativ. Diese Professionalität lassen sie bei der Bindung und Gewinnung von Mitarbeitern bislang häufig vermissen. Bildung und Politik sind zusätzliche Parameter, brauchen aber zu lange, um sich adäquat auf den Bedarf einzustellen.
Auf dem Arbeitsmarkt unerschlossene Ressourcen zu aktivieren und Menschen neue Fortbildungsprogramme bereitzustellen, ist eine Variante. Selbiges kann man ebenso für bereits bestehende Mitarbeiter ins Leben rufen. Ungenutzte Potenziale ergeben sich auch bei Frauen, die in ihren Familienphasen zwangsläufig aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden. Dabei wäre hier eine flexible Arbeitszeitgestaltung oder Remote Work der ideale Lösungsansatz. Für ältere Arbeitnehmer hingegen sind starke Vorzüge im Gesundheitsmanagement und eine altersgerechte Gestaltung der Arbeitsanforderungen das richtige Signal. Somit können dynamische jüngere Beschäftige ideal mit langjähriger Berufserfahrung kombiniert werden – eine wertvolle Symbiose. Weitere Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel können das Aufstocken von Teilarbeitskräften sein, nach Möglichkeit Menschen mit einer Behinderung anstellen oder potenzielle Mitarbeiter aus dem Ausland rekrutieren.
In Zeiten des Wandels dienen hybride Arbeitsmodelle als Zukunftschance. Wo es technisch passende Lösungen und arbeitsrechtliche Maßnahmen gibt, können Fachkräfte problemlos mobil arbeiten. In manchen Berufen besteht lediglich ein Engpass an Fachkräften, der mit einem starken Employer Branding sowie einer offenen Unternehmenskultur besser in den Griff zu bekommen wäre. Immerhin entscheiden sich viele qualifizierte Fachkräfte gezielt für ein gutes Gesamtpaket. Handeln Betriebe nicht, investieren keine Zeit in ein wertschätzendes Umfeld und aktives Recruiting, läuft die Firma Gefahr, gute Arbeitskräfte an die Konkurrenz zu verlieren.
Seit dem Jahr 1990 steigen die Bevölkerungszahlen im Westen um fünf Millionen, während sie im Osten um 2,5 Millionen schrumpfen. Voraussichtlich ab dem Jahr 2023 fallen im Osten auf einen Erwerbstätigen zwei Rentner – eine Zahl, die der Westen erst neun Jahre später erreicht. Diese Lücke forciert den Fachkräftemangel in Deutschland, insbesondere in Pflege und Handwerk.
Fehlen einer bestimmten Branche Fachkräfte, sind primär die Unternehmen gefordert. Die Politik und der Bildungssektor benötigen zu viel Zeit, um rasch auf Veränderungen zu reagieren. Allerdings hat die Wirtschaft ihre Chancen längst nicht flächendeckend genutzt und verwendet lediglich einen Bruchteil ihres vorhandenen Potenzials.