Moderne Arbeitsverhältnisse, remote geführte Arbeitsplätze und flexible Arbeitszeitformen – aktuell müssen sich Beschäftigte auf neue Wege in der Leistungserbringung einstellen. Darüber hinaus sind viele Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst und auf Abruf für Kunden, Patienten oder Vorgesetzte erreichbar. Doch ab wann gilt die Bereitschaft als Arbeitszeit und welche Ausnahmen gibt es? Wie lange darf dieser Turnus dauern und wie sieht die Entlohnung aus? Rund um den Bereitschaftsdienst ergeben sich immer wieder arbeitsrechtliche Fragen. Auch der Europäische Gerichtshof hat dazu klar Stellung bezogen. Ein Überblick gibt Antworten.
Im Bereitschaftsdienst oder der Rufbereitschaft muss sich der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle außerhalb oder innerhalb des Betriebes aufhalten, um gegebenenfalls sofort mit der Arbeit beginnen zu können. Nach dem Arbeitszeitgesetz wird jene Zeit berechnet, die Beschäftigte bereithalten, damit sie ihre Arbeit unverzüglich aufnehmen können, sobald es dazu eine Aufforderung gibt.
Die Begriffe Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft sind eine besondere Ausprägung der Arbeitszeit. Beide werden optional zum regulär vereinbarten Dienst geleistet. Über die gesamte Spanne des Bereitschaftsdienstes müssen sich Mitarbeiter dem Unternehmen gegenüber verfügbar halten. Entweder durch die physische Anwesenheit an einem gewissen Ort oder direkt an der Arbeitsstelle. Entscheidend ist, dass Angestellte ihre Arbeit auf Abruf und in kürzester Zeit ausführen können. Allerdings muss man während eines Bereitschaftsdienstes nicht automatisch die gesamten Stunden arbeiten und es besteht eine freie Zeiteinteilung. Gibt es keine Arbeit zu erledigen, dürfen sich Mitarbeiter ausruhen und entspannen. Der EuGH fällt dazu ein deutliches Urteil und stuft den Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit ein, wenn Arbeitnehmer mit vielen Einsätzen zu rechnen haben und in kürzester Zeit einsatzbereit sind. In Berufen wie Polizei, Feuerwehr oder im Gesundheitsbereich sind derartige Dienste unerlässlich. Doch immer wieder stellen sich in der Praxis grundsätzliche Fragen, insbesondere zum Bereitschaftsdienst und dessen Vergütung sowie zu den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes.
Inhaltlich sind alle drei Begriffe verwandt, dennoch grenzt sich der Bereitschaftsdienst deutlich von den beiden anderen ab. Während sich bei einer Rufbereitschaft der Mitarbeiter an einem selbstbestimmten Ort aufhalten darf und nur sicherstellen muss, seine Arbeit innerhalb einer bestimmten Frist aufnehmen zu können, schreibt der arbeitsrechtliche Oberbegriff der Arbeitsbereitschaft einen exakten Ort bis zum Antritt der Tätigkeit vor. So stellen Taxifahrer oder Callcenter-Agenten ihre Arbeitszeit sofort zur Verfügung, obwohl sie auf den Beginn des Einsatzes noch warten.
Bei Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft handelt es sich um Sonderformen von Arbeitszeit. Sie können nur dann angeordnet werden, wenn dies tariflich oder vertraglich geregelt ist. Gemäß § 106 GewO muss der Arbeitgeber nach „billigem“ Ermessen vorgehen. In der Praxis führt die Anfordernis zu einer gleichmäßigen Verteilung aller infrage kommenden Arbeitskräfte. Auf gesundheitliche und betriebsärztlich attestierte Einschränkungen muss der Arbeitgeber Rücksicht nehmen.
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Verbringen Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst Zeit, zählt dieser Stundenaufwand im Sinne von § 2 Abs 1 ArbZG als Arbeitszeit. Dazu gehören auch Ruhezeiten und passive Zeiten innerhalb der Bereitschaft. Diese umfassende Auslegung des Arbeitszeitbegriffs nahm der EuGH vor und wurde in das deutsche Recht übernommen. Wer Zeit am Bereitschaftsort verbringt und zur Verfügung steht, sonst aber außerhalb des Arbeitsortes frei über seine Zeit bestimmen kann, bringt hingegen keine Arbeitszeit ein.
Die grundlegende Einhaltung des Arbeitsschutzes muss ab einer Einführung des Bereitschaftsdienstes berücksichtigt werden. Insbesondere bei Themen wie der festgelegten Höchstarbeitszeit sowie den vorgegebenen Ruhezeiten. So sind Bereitschaftsdienste bei der Höchstarbeitszeitberechnung von 48 Stunden in voller Höhe anzurechnen. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, darf dieser über die Einführung eines Bereitschaftsdienstes nach § 87 Abs 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmen.
Bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche und bis zu 10 Stunden täglich bleibt nicht viel Zeit für die Absolvierung von Bereitschaftsdiensten. Daher erlaubt das Arbeitszeitgesetz abweichend von gesetzlichen Regelungen einige Ausnahmen und gewährt die Verlängerung von Arbeitszeiten, wenn Bereitschaftsdienste in regelmäßigem und erheblichem Umfang entstehen. Voraussetzung dafür ist eine tarifvertragliche und werkähnliche Grundlage. Allerdings gelten Ruhephasen während der Bereitschaft nicht als Ruhezeiten nach § 5 ArbZG. Das heißt, auch nach einem Bereitschaftsdienst ohne Arbeitseinsatz sind 11 Stunden Ruhezeit zu gewähren.
Seit dem Jahr 2004 existiert eine Tariföffnungsklausel, die sogenannte „opt out“-Regelung nach § 7 Abs 2a ArbZG sowie § 7 Abs 7 ArbZG. Gemäß des Gesetzes ist eine regelmäßige Ausweitung der Arbeitszeit von über acht Stunden erlaubt, wenn Bereitschaftsdienste in erheblichem Umfang geleistet werden müssen. In derartigen Fällen ist die Arbeitszeitverlängerung ohne Ausgleich möglich. Diese Regelung ist insbesondere in den Bereichen von Rettungsdiensten, Kranhäusern, Polizei, Berufsfeuerwehr und Betreuungseinrichtungen notwendig. Erforderlich ist immer eine entsprechende Einwilligung des Arbeitnehmers.
Zwar bewegt sich der Bereitschaftsdienst im Sinne allgemeiner arbeitszeitrechtlicher Bestimmungen, doch daraus ergibt sich keine explizite Vergütungspflicht. Grundsätzlich ist die Vergütungsfrage von der arbeitszeitgesetzlichen Bewertung vollkommen unabhängig. In Arbeits- und Tarifverträgen kann daher der Bereitschaftsdienst geringer vergütet werden und mit einem Heranziehungsanteil definiert sein. Dieser beschreibt den Anteil der Vollarbeit und wird gegebenenfalls durch Feiertags- und Nachtzuschläge ergänzt. In jedem Fall gilt: Der gesetzliche Mindestlohn darf auch bei der Vergütung von Bereitschaftsdiensten nicht unterschritten werden (Stand Juli 2022 10,45 Euro).
Für die Absolvierung von Bereitschaftsdiensten existiert keine gesetzliche Altersgrenze, jedoch haben Individualregelungen im Arbeitsvertrag oder in einer betrieblichen Vereinbarung rechtliche Wirkung. So darf ein Bereitschaftsdienst geringer als herkömmliche Arbeitszeit vergütet und ohne Kündigungsangst abgelehnt werden, sofern keine tarifliche oder vertragliche Grundlage besteht. Flexibilität hat Konjunktur – auch in der HR.
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