Die Vermittlungsprovision erneut im gerichtlichen Kreuzfeuer!

Auch wenn sich erst kürzlich der BGH mit den AGB-rechtlichen Anforderungen an eine vertragliche Regelung zur Zahlung einer Vermittlungsprovision an den Personaldienstleister (nach der “Übernahme” von – vormals – an den Kunden überlassenen Zeitarbeitnehmern) hat befassen müssen und in diesem Urteil für die Praxis die Spielräume bei der Klauselgestaltung konkretisierte (vgl. BGH v. 05.11.2020 – III ZR 156/19; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 11/2021 Anm. 8), sind damit noch nicht alle Streitfragen (höchstrichterlich) geklärt. So verwundert es nicht, dass sich das OLG Stuttgart jüngst damit auseinandersetzen musste, ob die von dem Personaldienstleister gestellte Provisionsabrede, die – anders als in der o.g. Entscheidung des BGH – zur Bestimmung der Höhe nicht an das Entgelt des übernommenen Zeitarbeitnehmers, sondern an den zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarten Stundenverrechnungssatz anknüpfte, wirksam ist. Das OLG Stuttgart kam zu dem Ergebnis, dass die verwendete Klausel AGB-rechtlich unwirksam sein soll (vgl. OLG Stuttgart v. 30.03.2021 – 10 U 318/20; vorgehend: LG Stuttgart v. 21.08.2020 – 12 O 485/19).

Der Entscheidung lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin betreibt Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte ist Inhaberin eines Betriebes für Metallbau. Am 14.08.2018 schlossen die Parteien einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, der eine Laufzeit ab dem 15.08.2018 bis zum 14.02.2020 vorsah. In § 11 ist unter der Überschrift “Übernahme von Mitarbeitern/Vermittlung/Provision” Folgendes vereinbart worden:

“1. Eine Vermittlung liegt vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen während der Dauer des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages mit dem Arbeitnehmer der Z Personal ein Arbeitsverhältnis eingeht. Eine Vermittlung liegt auch dann vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Überlassung, mit dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis eingeht. […]

5. In den Fällen der 11.1 und 11.2 hat der Auftraggeber eine Vermittlungsprovision an die Z Personal zu zahlen. Befristete Arbeitsverhältnisse sind im gleichen Umfang provisionspflichtig wie unbefristete Arbeitsverhältnisse. Die Z Personal erhält eine Vermittlungsprovision nach folgender Staffelung:

  • bis 4 Monate Überlassungsdauer 300 Std. x Verrechnungssatz
  • bis 8 Monate Überlassungsdauer 200 Std. x Verrechnungssatz
  • bis 12 Monate Überlassungsdauer 100 Std. x Verrechnungssatz
  • Nach dem 12. Monate ununterbrochener Überlassungsdauer ist keine Provision mehr zu entrichten. […]

6. Berechnungsgrundlage der Vermittlungsprovision ist der zwischen dem Auftraggeber und der Z Personal angebotene bzw. vereinbarte Verrechnungssatz. […] Die Vermittlungsprovision ist zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Fälligkeit der Vermittlungsprovision richtet sich nach § 6.1. […]”

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Auf dieser Grundlage überließ die Klägerin der Beklagten die beiden Zeitarbeitnehmer X und Y. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2018 mit, dass der Einsatz der beiden Mitarbeiter am 21.12.2018 endet und diese am 07.01.2019 wiederkommen sollen. Zum 21.12.2018 endete die Beschäftigung der Zeitarbeitnehmer bei der Beklagten. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 05.12.2018 den Zeitarbeitnehmern zum 21.12.2018. Ob die Mitteilung der Beklagten vom 18.11.2018 Grund für die Kündigung ist, ist zwischen den Parteien umstritten.

Die Klägerin fertigte neue Arbeitsverträge vom 12.12.2018 mit den beiden Zeitarbeitnehmern mit einem Arbeitsbeginn am 07.01.2019 aus. Ob diese an die Mitarbeiter übermittelt wurden, ist umstritten. Mit Schreiben vom 21.12.2018 kündigte die Beklagte sodann den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zum 04.01.2019. Ob die Klägerin den Einsatz der beiden Mitarbeiter bei einer anderen Firma geplant hat, ist zwischen den Parteien ebenfalls umstritten.

Zum 07.01.2019 stellte die Beklagte die beiden Arbeitnehmer bei sich ein; der Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses ist streitig, ebenso ob die Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsvertrag zur Klägerin standen.

Mit Rechnung vom 25.02.2019 stellte die Klägerin der Beklagten – berechnet auf Grundlage der vertraglichen Regelungen – insgesamt 14.994,00 EUR brutto (Klageforderung) als Vermittlungsprovision in Rechnung. Das von der Klägerin beauftragte Inkassobüro forderte unter Vorlage der Rechnung die Bezahlung mit Schreiben vom 18.03.2019. Die darin geforderte Vermittlungsprovision ließ die Beklagte mit Schreiben vom 20.03.2019 zurückweisen, woraufhin die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 11.04.2019 die Rechnung vergeblich abgemahnt hat.

Das LG Stuttgart hat der von dem Personaldienstleister auf die Zahlung der Vergütung gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die hiergegen von dem beklagten Kunden eingelegte Berufung war erfolgreich. Die Klägerin könne – so das OLG Stuttgart – von der Beklagten keine Vermittlungsprovision verlangen.

Zwar lägen die vertraglichen Voraussetzungen von § 11 des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags vor. Die beiden Zeitarbeitnehmer hätten während des bestehenden Arbeitnehmerüberlassungsvertrags mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag geschlossen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeitsverträge mit den (früheren) Zeitarbeitnehmern habe der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen den Parteien noch fortbestanden, weil die Kündigung der Beklagten vom 20.12.2018 unwirksam sei. Die Parteien hätten einen befristeten Vertrag abgeschlossen, der nicht ordentlich nach § 12 Nr. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages, sondern nur aus wichtigem Grund hätte gekündigt werden können. Ein solcher sei nicht vorgetragen worden. Insbesondere könne selbiger nicht daraus hergeleitet werden, dass die beiden Zeitarbeitnehmer für eine weitere Arbeitnehmerüberlassung durch die Klägerin nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Denn der vereinbarte Arbeitnehmerüberlassungsvertrag lasse einen Austausch der Zeitarbeitnehmer zu und sei nicht auf die beiden benannten Mitarbeiter beschränkt.

Selbst wenn der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag wirksam gekündigt worden wäre, schulde die Beklagte aufgrund des zeitlichen engen Zusammenhangs zwischen der Beendigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags und dem Abschluss der Arbeitsverträge mit den (früheren) Zeitarbeitnehmern grundsätzlich eine Vermittlungsprovision. Bei der Übernahme eines Arbeitnehmers “aus der Überlassung” – also während eines bestehenden Überlassungsvertrags oder in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem solchen (beendeten) Überlassungsvertrag – sei die Kausalität der Überlassung für die nachfolgende Übernahme typischerweise und in aller Regel gegeben; ihr Fehlen komme – wenn überhaupt – nur für äußerst fernliegende, rein theoretisch denk- oder “konstruierbare” Fallgestaltungen in Betracht (vgl. BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/11). Für das Entstehen der Provisionspflicht genüge es deshalb, wenn die Übernahme des Arbeitnehmers durch die Beklagte während des bestehenden Überlassungsvertrags oder in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem – beendeten – Überlassungsvertrag zwischen den Parteien erfolgt sei. Letzteres sei hier unstreitig der Fall.

 

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Ob das Arbeitsverhältnis mit den betroffenen Zeitarbeitnehmern zuvor von der Klägerin gekündigt worden ist, sei unerheblich. Die Beklagte wende ein, dass von der streitgegenständigen Klausel der Fall nicht erfasst sei, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Eingehens des Arbeitsverhältnisses über kein Vertragsverhältnis (mehr) mit dem Personaldienstleister verfüge. 

Die Klausel differenziere – so das OLG Stuttgart – allerdings nicht danach, wie sich das Vertragsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Arbeitnehmer weiter entwickelt habe. Ob zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags mit der Beklagten die beiden Zeitarbeitnehmer noch einen wirksamen Vertrag mit der Klägerin besessen hätten, könne dahingestellt bleiben. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH sei die Klausel zur Zahlung der Provision auch dann einschlägig, wenn zunächst der Personaldienstleister das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer durch eine Kündigung beende und dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem (vormaligen) Kundenunternehmen begründe (vgl. BGH v. 05.11.2020 – III ZR 156/19). Die von der Beklagten vorgebrachten Argumente habe der BGH geprüft, erörtert und für nicht durchgreifend erachtet. Diese Entscheidungsgründe des BGH mache sich das OLG Stuttgart zu eigen.

Jedoch sei die Vertragsklausel über die Vermittlungsprovision, die die Klägerin gestellt habe, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG bzw. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Es handele sich um eine AGB, die unter § 305 BGB falle. Nach § 307 Abs. 1 BGB sei eine Klausel in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG sei eine Vereinbarung, die dem Kunden untersage, den Zeitarbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Personaldienstleister nicht mehr bestehe, unwirksam; dies schließe die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht aus. § 9 Abs. 1 Nr. 3, HS. 1 AÜG erfasse das Eingehen eines neuen Arbeitsverhältnisses nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Mitarbeiter und dem Zeitarbeitsunternehmen, nicht aber während des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Der letztgenannte Fall stelle schon eine unlautere Arbeitnehmerabwerbung und für den Kunden gegenüber dem Personaldienstleister eine Vertragsverletzung dar, soweit er den Mitarbeiter zum Vertragsbruch verleite. Das Verbot gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3, HS. 1 AÜG erstrecke sich inhaltlich auf alle Vereinbarungen, die den Wechsel des Zeitarbeitnehmers zum Kunden verhinderten oder wesentlich erschwerten. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3, HS. 2 AÜG sei die Vereinbarung einer Vermittlungsgebühr grundsätzlich zulässig und vom Einstellungsverbot gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3, HS. 1 AÜG nicht erfasst. Vor der Einführung dieser Regelung sei eine solche Vergütungsvereinbarung als unzulässig angesehen worden, weil sie eine für einen Arbeitsplatzwechsel erschwerende Wirkung habe (vgl. BGH v. 03.07.2003 – III ZR 348/02). Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 3, HS. 2 AÜG zulässige Honorierung der Vermittlung stelle einen teilweisen Ausgleich dafür dar, dass der ungeplante Wechsel zum Kunden erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Personaldienstleister bringe, wenn er einen qualifizierten Arbeitnehmer verliere. Vermittlungsprovisionen könnten aber von § 9 Abs. 1 Nr. 3, HS. 1 AÜG erfasst sein, die sich das Zeitarbeitsunternehmen für den Fall der Übernahme des Mitarbeiters durch den Kunden versprechen lasse; deren Höhe dürfte in ihrer wirtschaftlichen Wirkung nämlich nicht einer Untersagung gleichkommen.

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 Die Beklagte halte die Provisionsklausel für unwirksam, weil diese nicht nach der Dauer des neuen Arbeitsverhältnisses differenziere. Diesem Kriterium werde – so das OLG Stuttgart – in der Literatur und der Rechtsprechung sowie in der gesetzgeberischen Begründung (vgl. BT-Drucksache 15/1749 S. 29 sowie 15/6008 S. 11), soweit ersichtlich, allerdings keine maßgebliche Bedeutung eingeräumt. Dafür spreche einerseits, dass auch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Lauf der Probezeit ohne Gründe von dem übernehmenden Kunden gekündigt werden könne. Andererseits könne bei einem befristeten Arbeitsvertrag die Dauer durch eine Verlängerung oder den Abschluss einer Anschlussvereinbarung erheblich erweitert werden. Angesichts dieser Unwägbarkeiten und den damit verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten müsse der Personaldienstleister nicht unmittelbar auf die Dauer des (sich bei dem Kunden anschließenden) Arbeitsverhältnisses bei der Höhe der Provision abstellen.

Die Klausel sei aber – so das OLG Stuttgart – hinsichtlich der Provisionshöhe zu beanstanden. Diese enthalte zwar die nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche degressive Staffelung nach der Verweildauer, die der Einstellung durch den Kunden vorangegangen sei (BGH v. 05.11.2020 – III ZR 156/19; BGH v. 11.03.2010 – III ZR 240/09; BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/11). Auch werde eine Provision, die an eine Dauer der der Übernahme vorangehenden Überlassung von bis zu einem Jahr anknüpfe, von der Rechtsprechung akzeptiert (BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/11). Hier sei die Vermittlungsprovision auf die Überlassungsdauer von bis zu 12 Monaten begrenzt.

Der Einwand der Beklagten, die vereinbarte Vermittlungsvergütung sei nicht mehr angemessen i.S.v. § 9 Nr. 3, HS. 2 AÜG, wenn sie nach einer Kündigung des Personaldienstleisters “in unverminderter Höhe” anfallen solle, weil von einem ausgleichsbedürftigen ungeplanten Wechsel des Arbeitnehmers zum Kunden mit entsprechenden Nachteilen für das Zeitarbeitsunternehmen keine Rede mehr sein könne, greife nicht durch. Der Zulässigkeit der Vermittlungsvergütung liege – neben anderen Erwägungen – zwar auch zugrunde, dass der ungeplante Wechsel des Zeitarbeitnehmers zum Kunden erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Personaldienstleister bringen “könne”; dass ein Wechsel dem Kunden im jeweiligen Einzelfall tatsächlich zu wirtschaftlichen Nachteilen führe, setze sie hingegen nicht voraus. Vielmehr komme es entscheidend darauf an, dass der sozialpolitisch erwünschte Wechsel des Arbeitnehmers in ein reguläres Arbeitsverhältnis erfolge und der vormalige Kunde einen wirtschaftlichen Vorteil erhalte, indem er einen offensichtlich geschätzten Arbeitnehmer zu günstigeren Konditionen als zuvor beschäftigen könne, den er bereits während der Überlassung erfolgreich erprobt habe (BGH v. 05.11.2020 – III ZR 156/19).

§ 11 Nr. 5 des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags orientiere sich im Hinblick auf die Höhe der Vermittlungsprovision – neben der Überlassungsdauer – an dem vereinbarten Verrechnungssatz mit dem Kunden. Damit berücksichtige die Klausel in ausreichender Weise die Qualifikation und die bisherige Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers. Zu beanstanden sei aber, dass die Provisionshöhe nicht an den Bruttoverdienst des Arbeitnehmers bei dem neuen Arbeitgeber anknüpfe. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Provisionshöhe – wie die streitgegenständliche – angemessen sei, sei höchstrichterlich nicht geklärt.

Das OLG Saarbrücken (Urt. v. 15.10.2014 – 1 U 113/13) habe sich mit einer Provision in Höhe von zwei Kundenmonatsumsätze je Mitarbeiter befassen müssen. Diese habe das Gericht als nicht unangemessen angesehen; die dortige Beklagte habe aber gegen die Höhe keine Einwendungen erhoben. Eine weitere Problematisierung sei nicht erfolgt. Auch Schüren halte eine Orientierung an dem vereinbarten Stundenverrechnungssatz für zulässig (Schüren/Hamann, § 9 AÜG Rn. 183).

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Das OLG Oldenburg (Urt. v. 30.10.2014 – 1 U 42/14; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 6/2015 Anm. 4) habe sich mit einer Provisionsregelung auseinandersetzen müssen, die hinsichtlich der Höhe der streitgegenständlichen Regelung entspreche. Werde ausschließlich an dem vereinbarten Stundenverrechnungssatz für die Überlassung angeknüpft, bleibe der „Marktwert“ des übernommenen Mitarbeiters und des damit von dem Kunden gewonnenen wirtschaftlichen Vorteils bei der Bemessung der Höhe Provision völlig außer Betracht. Eine derartige Abrede, die das Zweifache des Bruttoeinkommens übersteige, sei nach Ansicht des OLG Oldenburg unangemessen.

Das LG Flensburg (Urt. 06.12.2013 – 2 O 89/13) halte eine derartige Klausel für unwirksam. Die Bestimmung der Höhe des Vermittlungshonorars erfolge ohne Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit der vereinbarten Vergütung, des Marktniveaus einer funktionsgleichen Vermittlungsleistung sowie der Qualifikation des betroffenen Arbeitnehmers. Diese Gesichtspunkte würden auch nicht mittelbar berücksichtigt, weil die Vergütungshöhe nicht an das Bruttoeinkommen des Zeitarbeitnehmers geknüpft werde. Unter Zugrundelegung der Entscheidung des BGH wäre eine solche undifferenzierte Regelung allenfalls dann als noch „angemessen“ zu beurteilen, wenn sich die danach bestimmte maximale Vergütung innerhalb der branchenüblichen Sätze, gemessen am Bruttoeinkommen des Zeitarbeitnehmers, bewege.

Das OLG Stuttgart geht bei der Prüfung der Angemessenheit von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus. Danach werde vom BGH ein die Grenze von zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreitender Provisionshöchstsatz selbst dann noch im Rahmen der Angemessenheit i.S.v. § 9 Nr. 3, HS. 2 AÜG akzeptiert, wenn die Vergütungsregelung – wie hier – undifferenziert und ohne Beschränkung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche sämtliche Segmente des Arbeitsmarkts erfasse (BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/). Der BGH messe die Höhe der Provision an folgenden Kriterien: einerseits sei die Vermittlungsvergütung ein teilweiser Ausgleich für einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil, den der Personaldienstleister durch den ungeplanten Wechsel zum Kunden erleide, der durch die Einstellung des Arbeitnehmers hingegen einen wirtschaftlichen Vorteil erlange; andererseits solle die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers und das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht durch unangemessene Vermittlungsvergütungen wesentlich erschwert werden. Vor diesem Hintergrund solle die Höhe der Vergütung die Dauer der vorangegangenen Überlassung, die Höhe des von dem Kunden für diese bereits gezahlten Entgeltes und den Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein. Gleiches gelte für die Verkehrsüblichkeit der vereinbarten Vergütung, das Marktniveau einer funktionsgleichen Vermittlungsleistung und die Qualifikation des Arbeitnehmers.

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Diesen Kriterien werde die streitgegenständliche Klausel – zumindest auf den ersten Blick – gerecht, indem die Provision aus dem Produkt von Arbeitsstunden und Verrechnungssatz errechnet und die Arbeitsstunden maximal 300 und damit nicht mehr als die Arbeitsstunden von zwei Monaten betrügen, wenn man von einer 40 Wochenstunden ausgehe. Jedoch stelle die vorliegende Klausel nicht auf das künftige Jahresbruttoeinkommen der Arbeitnehmer bei der Beklagten ab, sondern lege unabhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses immer die von der Überlassungsdauer abhängige Stundenzahl (multipliziert mit dem bislang angesetzten Verrechnungssatz) zu Grunde. Die Regelung beachte, indem sie nicht auf das künftige Bruttogehalt des Arbeitnehmers abstelle, den wirtschaftlichen Vorteil, den der Kunde erhalte, nicht hinreichend und schränke mit dieser Klausel die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer unangemessen ein. Dies werde insbesondere dann deutlich, wenn der Kunde mit den Arbeitnehmern nur einen Teilzeitvertrag abschließe. Erhielten diese nur einen Vertrag mit einer Teilzeitbeschäftigung von 50%, könne der Provisionssatz gem. § 11 Abs. 5 des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags vier Bruttomonatsgehälter erreichen oder sogar übersteigen. Gleiches gelte, wenn der vereinbarte Verrechnungssatz – im Vergleich zu der vertraglich vereinbarten Vergütung der Arbeitnehmer aus den Arbeitsverträgen mit dem Kunden – überhöht sei, z.B. weil dieser kurzfristig und dringend auf die Mitarbeiter im Rahmen der Überlassung angewiesen gewesen sei, der Personaldienstleister damit habe höhere Preise durchsetzen können und der Stundenlohn bei dem Kunden im neuen Arbeitsvertrag entsprechend niedrig sei. Damit könne sich die Klausel im Rahmen des Angemessenen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG halten, aber auch unangemessen hoch sein.

Eine Reduzierung der Vermittlungsprovision auf das angemessene Maß nach § 655 S. 1 BGB scheide aus. Die Vorschrift sei nicht anwendbar. Voraussetzung dafür wäre, dass für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Dienstvertrags oder für die Vermittlung eines solchen ein unverhältnismäßig hoher Maklerlohn vereinbart worden sei. Eine Nachweis- oder Vermittlungsleistung habe die Klägerin hier jedoch nicht erbracht. Der abgeschlossene Arbeitnehmerüberlassungsvertrag richte sich primär auf die Arbeitnehmerüberlassung. Die Vermittlungsprovision sei allein daran geknüpft, dass die Beklagte mit dem Zeitarbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis begründe (BGH v. 11.03.2010 – III ZR 240/09). Im Übrigen stehe der Schutzzweck des § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG einer Anwendung des § 655 BGB entgegen. Das Verbot, dem Kunden zu untersagen, den Zeitarbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Personaldienstleister nicht mehr bestehe, diene dem Zweck, dem Zeitarbeitnehmer die Chance des Wechsels auf einen anderen Arbeitsplatz – möglichst einen Dauerarbeitsplatz bei dem Kunden – zu wahren. Die Verhinderung des sozialpolitisch durchaus wünschenswerten Wechsels sei bereits durch die Vereinbarung einer überhöhten Vermittlungsprovision beeinträchtigt, selbst wenn diese gem. § 655 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden könne. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Übernahme des Zeitarbeitnehmers wisse der Kunde nicht, welche Kosten ihm tatsächlich entstünden, wenn er dann nicht bereit sei, die überhöhte Vermittlungsprovision zu zahlen. Allein diese Unsicherheit sei geeignet, den Kunden davon abzuhalten, den Zeitarbeitnehmer einzustellen. Dessen Berufsfreiheit, deren Schutz das Gesetz ganz wesentlich im Blick habe, werde deshalb bereits durch die Vereinbarung der überhöhten Provision beeinträchtigt, auch wenn eine Reduzierung im gerichtlichen Verfahren später möglich wäre. Der Schutz der Berufsfreiheit des Zeitarbeitnehmers, sein Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes und insbesondere auf Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Kunden stehe deshalb einer Anwendung des § 655 BGB entgegen. Aus diesem Grund scheide auch eine geltungserhaltende Reduktion der die Vermittlungsprovision beinhaltenden AGB aus (BGH v. 11.03.2010 – III ZR 240/09).

 
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Autor

Dr. Alexander Bissels
CMS Hasche Sigle
Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
alexander.bissels@cms-hs.com

Quelle

Infobrief Zeitarbeit Juni 2021

 

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